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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 07.09.2007
Aktenzeichen: 14 W 31/07
Rechtsgebiete: LugÜ, EuGVVO
Vorschriften:
LugÜ Art. 8 Abs. 1 Nr. 2 | |
LugÜ Art. 10 Abs. 2 | |
EuGVVO Art. 9 Abs. 1 lit. a | |
EuGVVO Art. 11 Abs. 2 |
Oberlandesgericht Karlsruhe 14. Zivilsenat in Freiburg Beschluss
Geschäftsnummer: 14 W 31/07
7 September 2007
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oberkirch vom 15.5.2007 - 1 C 252/06 - wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der in Oberkirch/Baden wohnhafte Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die in der Schweiz ansässige Antragsgegnerin, eine Versicherungsgesellschaft. Mit der Klage will der Antragsteller Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen eines Unfalls verlangen, den er am 25.5.2006 auf der französischen Autobahn Valence - Marseille erlitten hat und bei dem ein bei der beklagten Versicherung haftpflichtversichertes Fahrzeug auf den Pkw des Antragstellers auffuhr. Das Amtsgericht Oberkirch hat das PKH-Gesuch mit Beschluß vom 15.5.2007 zurückgewiesen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 S. 1 ZPO) habe; die beabsichtigte Klage sei mangels internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte als unzulässig abzuweisen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ihm PKH zu bewilligen.
II.
Zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Amtsgerichts Oberkirch ist das Oberlandesgericht berufen (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG). Das Rechtsmittel ist zwar zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO), in der Sache aber nicht begründet. Das Amtsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, daß für die beabsichtigte Klage eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht besteht.
1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist im Verhältnis zur Schweiz nach den Bestimmungen des - in den hier maßgeblichen Vorschriften mit dem EuGVÜ wörtlich übereinstimmenden - Lugano-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988 - in der Folge: LugÜ (dazu vgl. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 4. Aufl., Rdn. 109 ff.) zu beurteilen. Für das EuGVÜ aber war so gut wie allgemein anerkannt ("nahezu unisono", Rauscher-Staudinger, EuZPR, 2. Aufl., Art 11 Brüssel I - VO, Rdn. 6; umf. Nachw. aus Rechtsprechung und Schrifttum a.a.O. in Fn. 17; ebenso Schlosser, EuGVÜ, 1996, Art 11 Rdn. 2; s.a. Schack a.a.O. Rdn. 284), daß der Geschädigte den Versicherer mit der Direktklage nicht an seinem Wohnsitzgericht verklagen kann. Diese so gut wie einhellige Auffassung, die sich auf den Wortlaut des EuGVÜ stützen konnte - das in Art 8 Abs. 1 Nr. 2 nur vom "Versicherungsnehmer", nicht aber vom "Geschädigten" spricht - und auch durch den Jenard-Bericht (ABl EG 1979 C 59/1, 32) gestützt wird, ist im Interesse einer homogenen Anwendung der Brüsseler und Luganer Regeln auch der Anwendung des Lugano-Übereinkommens zugrundezulegen (vgl. etwa auch BGH, NJW 2001, 1936 zum Gebot der Auslegung von Art. 5 Nr. 1 LugÜ nach den zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ entwickelten Regeln).
2. Ohne Bedeutung für die Auslegung des LugÜ sind neuere Erkenntnisse im Schrifttum und die jüngere Rechtsprechung zu Art. 11 Abs. 2, 9 Abs. 1 lit. b EuGVVO. Allerdings hat der BGH (NJW 2007, 71 m. Anm. Staudinger a.a.O. S. 73 = IPRax 2007, 324 m. Anm. Fuchs, IPRax 2007, 302) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gem. Art. 234 EG die - vom BGH bejahte - Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Verweisung in Art. 11 Abs. 2 EuGVVO auf Art. 9 Abs. 1 lit. b EuGVVO dahin zu verstehen ist, daß der Geschädigte vor dem Gericht des Ortes in einem Mitgliedsstaat, an dem er seinen Wohnsitz hat, eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben kann, sofern eine solche Klage zulässig ist und der Versicherer seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat. Wenn der Geschädigte nach Art. 11 Abs. 2, 9 Abs. 1 lit. b EuGVVO an seinem Heimatforum klagen kann, so beruht dies (BGH a.a.O.; vgl. auch Rauscher-Staudinger a.a.O.) auf der Berücksichtigung der weiteren Rechtsentwicklung im Europarecht, namentlich einer Klarstellung im Sinne eines deklaratorischen Hinweises in der am 11.6.2005 in Kraft getretenen fünften Kraftfahrzeug-Richtlinie (RL 2005/14/EG). Diese Entwicklung kann indes bei der Auslegung des LugÜ ebenso wenig berücksichtigt werden wie etwa auch die weitere Entwicklung im europäischen Insolvenzrecht bei der Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 LugÜ (vgl. Jayme-Kohler, IPRax 2005, 481, 492 unter Hinweis auf das Urteil des Schweizer Bundesgerichts vom 15.12.2004, BGE 131 III 227). Bis zu einer Revision des LugÜ (dazu Schack a.a.O. Rdn. 110; Jayme-Kohler a.a.O. sowie Thomas-Putzo-Hüßtege, ZPO, 28. Aufl., Vorbem. 3 vor Art 1 EuGVVO m.N.) muß eine Diskrepanz in der Frage der Zulassung einer Direktklage des Geschädigten an seinem Wohnsitz gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers daher hingenommen werden.
3. Wegen der Nebenentscheidung vgl. § 127 Abs. 4 ZPO.
Ende der Entscheidung
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